Im eSport konnten mittlerweile schon viele Frauen von sich Reden machen. Erst kürzlich wurde auf eSportsGear davon berichtet, welche eSportlerinnen am erfolgreichsten in verschiedenen Turnieren und Ligen, die zu diversen Titeln gehören, angetreten sind. Dabei ist auch aufgefallen, dass die Preisgelder, die die zehn Frauen in der Top 10 erzielen konnte, deutlich schmaler ausfielen, als die der erfolgreichsten männlichen eSportler, die wir auch bereits vorgestellt hatten. Freunde von traditionellem Sport wissen, dass diese Verhältnisse auch dort in den meisten Sportarten Gang und Gäbe und somit nicht im eSport allein vorhanden sind.
Doch bietet der eSport, diese neue Form des Wettkampfs, nicht Möglichkeiten, solche Verhältnisse zu überwinden? Es muss also nachgefragt werden, wie genau die Situation aussieht, in der sich eSportlerinnen befinden: Wie sehen die zahlenmäßigen Verhältnisse zwischen den Geschlechtern aus? Sind die Turniere und Ligen, in denen man sich im eSport misst, auch getrennt, wie es im traditionellen Sport meist der Fall ist? Wie schneidet der eSport auf dem Gebiet der Geschlechterverhältnisse im Vergleich mit traditionellen Sportarten allgemein ab? Und gibt es übergreifende Regelungen oder geplante Beschlüsse, die Veränderungen hervorbringen könnten? All diese und weitere Fragen werden im folgenden Artikel behandelt.
Geschlechterverhältnisse im eSport: die Zahlen
Laut Statista sind in den USA im Jahr 2021 45 % der Gamer Personen, die sich als Frauen identifizieren. Was für viele, die über die Zugänglichkeit des Gaming für Frauen besorgt sind, eine positive Überraschung bedeuten könnte, ist im Kontext der Thematik dieses Artikels leider täuschend. Zu Gamern werden nämlich in Statistiken wie der hier aufgeführten oft alle Personen gezählt, die auch nur manchmal auf dem Smartphone Mobile Games spielen. So ist beispielsweise Candy Crush, ein extrem beliebter Titel, sogar zahlenmäßig von weiblichen Spielern dominiert, während er nichts mit dem eSport zu tun hat. Um im eSport mitmischen zu können, ist jedoch eine kontinuierliche, intensive Beschäftigung mit einem bestimmten Spiel nötig, bei der die Faktenlage dann schon ganz anders aussieht.
In den USA und auch zunehmend in Europa ist ein möglicher erster Schritt in die Sphäre des eSport die Teilnahme an Universitätsclubs für eSport. Im Jahr 2021 waren jedoch nur 8,2 % der US-amerikanischen College-Esport-Spieler weiblich. Coaches für eSport-Teams sind hier sogar nur in 4,0 % der Universätsmannschaften weiblich. An dieser Stelle wird eindeutig, dass bestimmte Faktoren dafür sorgen, dass viele Frauen Interesse am Gaming vorweisen, jedoch nicht in die eSport-Sphäre vorstoßen können. Um welche handelt es sich hierbei also?
Welche Hindernisse erschweren Frauen den Weg zum eSport-Profi?
Zu diesen Faktoren zählen verschiedene Problematiken. Besonders häufig wird jedoch von kritischen Stimmen aufgeführt, dass Frauen beim Online-Gaming mit geschlechterspezifischen Anfeindungen konfrontiert werden, die auch später, sollte der Schritt in den eSport geschafft sein, noch vorkommen. Androhungen von sexueller Gewalt, sowie Stereotypen und Vorurteile werden hierbei häufig beobachtet und sorgen dafür, dass viele Frauen sich Games oder anderen Hobbies zuwenden, in denen sie solche Belästigung weniger fürchten müssen. Das Verbergen des eigenen Geschlechts ist deshalb für viele Frauen in Online-Games zur Gewohnheit geworden, was das Ausmaß dieser Feindseligkeiten verdeutlicht.
Auch wird häufig vermutet, dass weibliche Spielerinnen durch Einflüsse aus dem Elternhaus und dem weiteren sozialen Umfeld häufig stärker dafür verurteilt werden, wenn sie viel Zeit in Gaming investieren, als es bei Männern der Fall ist. Setzen sich die Frauen all dieser Hindernisse zum trotz durch und entwickeln sich zu kompetenten eSportlerinnen, gibt es jedoch trotzdem weitere Problematiken, die in ihrem Weg stehen können: Spieler, Coaches und Manager haben selbst oft aus verschiedenen Gründe Vorbehalte dagegen, Frauen in ihr Team oder den Staff aufzunehmen, die nichts mit Kompetenz zu tun haben.
Trotzdem muss erwähnt werden, dass sich nicht nur negative Seiten offenbaren, wenn man als Frau im eSport antreten will. Manche Teams sind, da in einem großen eSport-Titel eine Frau im Kader zu haben große Aufmerksamkeit von verschiedenen Seiten garantiert, besonders motiviert, Frauen eine Chance zu geben, wodurch in bestimmten Situationen ein Vorteil im Kampf um die Plätze im Team bestehen kann.
Im eSport gibt es nämlich keine Regelungen, die gemischte Teams verbieten, wodurch in allen Turnieren, die auch männliche Spieler zulassen, solche Kader-Zusammenstellungen ins Feld ziehen dürfen. Der Kader des bekannten amerikanischen Teams EG, den die Organisation im Tactical Shooter Valorant von Riot Games in diesem Januar vorgestellt hat, wäre ein solches Beispiel. Auch das frühere LCS-Team Renegades, das inzwischen nicht mehr in der amerikanischen League of Legends-Liga antritt, hatte sich ursprünglich für den Wettbewerb zuvor erst mit Maria „Remilia“ Creveling, einer transsexuellen Spielerin qualifiziert. Sie spielte dann auch als erste Person in dieser Liga, die sich öffentlich nicht als Mann identifizierte. Abschließend ist hier auch „Geguri“ zu nennen. Die talentierte Südkoreanerin setzte sich, zahlreichen Anfeindungen zum trotz, durch und erkämpfte sich einen Startplatz in einem Team der Overwatch League.
Die zuvor genannten negativen Faktoren sorgen trotzdem in jedem Fall dafür, dass die Anzahl an Frauen, die tatsächlich im eSport gegen die Besten antreten können, deutlich kleiner ist als die ihrer männlichen Kollegen und als die Zahlen, die die anfangs genannte Statistik suggerieren würde.
Die Verhältnisse im traditionellen Sport: Ein Vorbild für den eSport?
Betrachten wir nun also die Sphäre des traditionellen Sports, die in vielen Bereichen schon Problemfelder bewältigen musste, die sich der noch jungen Welt des eSport erst noch eröffnen werden. Begründet durch die unterschiedliche physische Leistungsfähigkeit sind die Geschlechter im traditionellen Sport in den meisten Sportarten getrennt und treten nur sehr selten, in bestimmten Events, gegeneinander an. Was manche Leser noch aus ihrer Jugend im Fußballverein wissen könnten, ist, dass oft Mädchen und Jungen hier bis zu einem gewissen Alter gemeinsam Sport ausüben. Des Weiteren sind teilweise die Sportgeräte, die von Frauen gehandhabt werden, kleiner oder leichter als die ihrer männlichen Kollegen in der gleichen Disziplin. Dabei kann es sich beispielsweise um Kugelstoß-Kugeln, Basketbälle oder Volleyballnetze handeln.
Es gibt im Sport auch sogenannte Mixed Events, bei denen Teams mit einer bestimmten Anzahl von Frauen und Männern antreten müssen, beispielsweise gemischte Staffeln im Biathlon oder Sprinter-Staffeln. Sind diese Verhältnisse nun für den eSport erstrebenswert? Die meisten der physischen Vorteile, die Männer bei vielen traditionellen Sportarten zu besseren Leistungen befähigen, greifen ja hier nicht.
Turniere und Ligen nur für Frauen: Die einzige Lösung oder Hindernis für wahren Fortschritt?
Trotzdem gibt es im eSport zahlreiche Wettbewerbe, an denen nur Frauen teilnehmen dürfen, wohingegen es keine Turniere gibt, von denen Frauen durch Regelungen ausgeschlossen sind. Das Valorant Ignition Tournament von Riot Games, bei dem $50.000 zu holen waren, war eines dieser Turniere, das dazu in einem neuen, populären eSport ausgetragen wird. Solche Events kamen in den letzten Jahren immer häufiger vor und könnten somit auch in Zukunft die weibliche eSport-Szene prägen. Trotzdem sind eben diese Wettbewerbe nicht unumstritten.
Als Vorteile solcher Turniere ist zu nennen, dass sie Frauen, die sonst vielleicht weniger Chancen dazu erhalten hätten, eine Bühne bieten, um ihre Fertigkeiten vor einem größeren Publikum zu präsentieren. Eine solche Plattform hilft direkt dabei, Aufmerksamkeit zu generieren und erwirkt damit auch, dass wichtige Kontakte im eSport geknüpft werden können. Auch wird die Umgebung, in der sich die Frauen hier bewegen, von vielen Teilnehmerinnen als angenehmer eingeschätzt, da die bereits aufgeführten Belästigungsfälle weniger auftreten und so in einem sichereren Umfeld Erfahrungen gesammelt werden können. Die Existenz der Turniere an sich ist ein weiterer inhärenter Vorteil, da Frauen zusätzlich zu allen anderen Events hier noch Zugang zu Events finden, bei denen der durchschnittliche Kompetenzlevel niedriger ist, da ja ein Großteil der Community nicht teilnehmen darf, und trotzdem Preisgelder vergeben werden, die Spielerinnen finanziell weiterhelfen können.
Trotzdem werden solche Wettkämpfe von mehreren Stellen kritisiert, zu denen auch andere Frauen angehören. Man stellt beispielsweise heraus, dass das Fortbestehen solcher Turniere gegenüber manchen Beobachtern demonstriert, dass Frauen auf sie angewiesen sind, da ihnen die nötige Kompetenz fehlt. Obwohl dieser Verdacht häufig nicht zutrifft, werden doch solche Gedankenmuster bei einigen Zuschauern und manchen solcher Personen innerhalb von eSport-Organisationen, die für die Kader-Zusammenstellungen zuständig sind, durch derartige Wettkämpfe befördert.
Die Frauen-Turniere im eSport könnten aber auch Auswirkungen auf traditionellen Sport haben: Erhöht man hier die Preisgelder, könnte man ein Beispiel liefern, das auch außerhalb des eSport Folgen nach sich ziehen könnte. Weiterhin könnte der eSport, ähnlich wie es schon seit längerer Zeit der Reitsport tut, ein weiteres positives Beispiel für gemischte Sportwettkämpfe bei solchen Disziplinen liefern, in denen die physischen Vorteile von Männern zu vernachlässigen sind.
Regelungen und Beschlüsse für Frauen im eSport
Welche Regelungen und Beschlüsse haben bisher den Stand der Frauen im eSport geprägt und welche werden zukünftig ihre Auswirkungen spürbar machen?
Zuerst muss nochmals herausgestellt werden, dass in allen eSport-Ligen Frauen antreten dürfen und dass diese zusätzlich auch in Turnieren und Ligen ohne männliche Kollegen spielen können. Durch Regeln besteht also auf diese Weise keine Diskriminierung von Frauen, während manche ihrer männlichen Kollegen, die kaum Geld im eSport verdienen konnten und beispielsweise in den Ranglisten ihres jeweiligen eSport-Titels weit über jenen Frauen standen, die durch Turniere, von denen Männer ausgeschlossen waren, ein stabiles Einkommen erspielen konnten, immer wieder Kritik äußerten.
Feste Regelungen, die garantieren, dass Frauen im eSport zukünftig einen leichteren Einstieg finden oder weniger Diskriminierung ausgesetzt sind, gibt es jedoch auch noch nicht. Initiativen wie die „British Esports Association’s Women in Esports“-Kampagne schaffen aber zumindest immer öfter, dass die Problematiken im öffentlichen Diskurs behandelt werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen Früchte tragen und ob der eSport seine Modernität auch im Kontext von Geschlechterfragen zeigen kann. Aktuell ist von diesem Potenzial leider nur ein kleiner Teil verwirklicht worden.