Neue Online-Gaming-Regeln in China: Große Auswirkungen auf den eSport?

Neue Online-Gaming-Regeln in China: Große Auswirkungen auf den eSport?

Nachdem die chinesische Regierung mit neuen Regeln vor kurzer Zeit bekanntgegeben hatte, dass Online-Gaming für minderjährige Gamer nur noch drei Stunden in der Woche erlaubt ist, zweifelten viele Experten an, ob der Schritt wirkliche Auswirkungen auf den eSport haben würde. Die eSport-Szene in China, die die größte der Welt darstellt und mit riesigen Fanclubs und Austragungsorten gut ausgebaut ist, könnte sich nun aber doch mit großen Konsequenzen konfrontiert sehen, von denen erste bereits zum Tragen kommen. Welche Politik dahintersteht, wie die Auswirkungen genau aussehen könnten und was der Schritt für den eSport auf der globalen Ebene bedeuten könnte, wird hier erklärt.

Umbruch im Gaming-Sektor: Chinas Tech-Politik verschärft sich

Große Änderungen in der Sphäre solcher Unternehmen, die mit Online-Plattformen ihre Umsätze generieren, hatten sich in den vergangenen Monaten in China immer deutlicher abgezeichnet: Plattformen für Online-Handel, Online-Dienstleistungen und andere Tech-Firmen wurden durch die Regierung auf verschiedene Weisen eingeschränkt: Der Schritt chinesischer Firmen an die amerikanische Börse, den die Machthaber Chinas schon länger kritisch betrachteten, wurde deutlich erschwert. Unternehmen, die bereits an der Börse gehandelt werden, wurden sanktioniert. Firmen, die gegen verschiedene Regeln verstoßen hatten, wurden mit Busgeldern belegt. Auch Unternehmen, die E-Learning, also Online-Nachhilfe und -Unterricht für den chinesischen Lehrplan, anboten, wurde jegliche Möglichkeit entzogen, profitabel zu sein, als die Regierung festlegte, dass man mit dem Vermitteln des Lehrplans keinen Gewinn mehr erzielen darf.

Der Gaming-Riese Tencent, der beispielsweise durch das erfolgreiche MOBA „League of Legends“ den westlichen Gaming-Markt mitprägt und in China außerhalb von Gaming durch Kurznachrichten-Dienste hohe Einnahmen erzielen konnte, kann als gutes Beispiel für die derzeitige Linie der chinesischen Regierung betrachtet werden und gleichzeitig, da Spiele im Besitz der Firma große eSport-Titel sind, besonders gut Einflüsse auf den eSport darstellen. Auf Druck der Regierung hin gab der Konzern im Juli 2021 bekannt, dass Spiele in Zukunft in China mit einer Gesichtserkennungssoftware ausgestattet sein werden, um dafür sorgen zu können, dass Minderjährige nur zu den erlaubten Zeiten spielen können. Der Konzern wurde zudem bei der Zulassung neuer Spiele eingeschränkt und im Zusammenhang mit der Weitergabe von Daten in der Vergangenheit verdächtigt. Einen Aktieneinbruch erlitt die Medienfirma, als Chinas Regierung öffentlich Gaming als schädlich für die Jugend verurteilte. Erst als verbesserte Kontrollmaßnahmen der Spieler durch Tencent angekündigt wurden, milderte die Regierung die Schärfe der Formulierung in der betreffenden Pressemitteilung ab.

Welche Motiviation steht hinter diesem Kurs der chinesischen Regierung?

Die verschiedenen Maßnahmen, die nun aufgezählt wurden, sind in keinem Fall willkürlich oder spontan entschieden. Stattdessen stützen sie alle einen neuen Kurs, den die chinesische Regierung im Bezug auf Tech-Firmen und deren Produkte, zu denen Online-Games, Plattformen aus dem Bereich der sozialen Medien und andere Online-Dienste gehören, verfolgt. Der Bestandteil, der Chinas Regierung an den Geschäftsmodellen der Firmen, die hinter diesen Plattformen stehen, besonders stört, sind die großen Datenmengen, die diese von den Nutzern ansammeln. Chinas Regierung möchte ungern die Kontrolle, die sie über die verschiedenen Bereiche des großen Landes ausübt, verlieren und problematisiert deswegen solche Unternehmen, die eine Stellung eingenommen haben, in der sie ihren Teil des Marktes dominieren. Im Datensektor soll dann also mit den aufgeführten Maßnahmen die Kontrolle aus den Händen dieser Konzerne entrissen werden.

Die Regeln zur Eingrenzung der Möglichkeiten von Unternehmen, den Gang an die amerikanische Börse anzutreten und sich in international aufgestellte Konzerne zu transformieren, zeigen auch, dass China die Emanzipation dieser heimischen Konzerne, die mit großen Datenmengen in einer zunehmend digitalisierten Welt immer mehr Macht ausüben werden, verhindern will.

Online-Gaming wird jedoch auch im Speziellen von der chinesischen Regierung in den letzten Monaten häufiger kritisiert. Dabei wird dieses Hobby nicht nur als Zeitverschwendung charakterisiert, sondern immer wieder deutlich herausgestellt, dass man eine schädliche Wirkung auf die Jugend von den Spielen ausgehen sieht. Eine Formulierung stach dabei vor allem ins Auge: In einer Mitteilung einer staatlichen Zeitschrift wurde Online-Gaming als „Opium für den Geist“ bezeichnet – Ein Vergleich, der im Kontext der chinesischen Geschichte das Online-Gaming scharf verurteilt.

Regeln zur Einschränkung des Online-Gaming: Welche Auswirkungen treffen China?

In China hat der neuerliche Eingriff in das Gamingverhalten, der die wöchentlichen Gamingzeiten für Minderjährige auf drei Stunden begrenzte, nun erste Auswirkungen im eSport gezeigt: In der LDL, der zweiten chinesischen Liga für League of Legends, wurden beispielsweise eine große Zahl minderjähriger Profis aus den Kadern ihrer Teams gestrichen. Auch eine der Überraschungen des Jahres in der LPL, der ersten chinesischen Liga, musste seinen Startplatz bei OMG aufgeben. Creme, der Midlaner des Teams, der als 17-jähriger Debütant im letzten Jahr durch seinen aufregenden Spielstil von sich reden machen konnte, fiel den neuen Regeln zum Opfer. Ähnlich ergeht es mehr als 30 anderen Profis in der LPL und LDL, die zum größten Teil auf die Ankündigung hin, dass Minderjährige nicht mehr in Offline-Events als Profi-Gamer antreten dürfen, ihre Startplätze in Teams verloren haben.

Diese Zahlen sind dabei nur aus dem Titel League of Legends von Tencent ermittelt worden. In anderen eSport-Games, von denen vor allem in Spielen aus dem Bereich des Mobile-Gamings teilweise ein größerer Prozentsatz der Profis aus Minderjährigen besteht, können die Auswirkungen noch extremer ausfallen. In China ist dieser Umstand auch besonders relevant, da dort, wie auf den meisten Märkten der Welt, Mobile-Gaming immer beliebter wird und sich zu den wichtigsten Vertretern auch bereits eSport-Szenen gebildet haben.

Den jungen chinesischen Nachwuchstalente, die zukünftig den eSport geprägt hätten, wird also jetzt die Möglichkeit genommen, kompetitive Erfahrungen zu sammeln, was zusätzlich zu den reduzierten Spielzeiten der nächsten Generation von chinesischen Gamern größere Probleme bei der Entwicklung chinesischer Profiteams in den nächsten Jahren nach sich ziehen kann. Die Benachteiligung kann sich auf mehrere Weisen zeigen: In erster Linie werden minderjährige Profis oder solche, die in den nächsten Jahren erwachsen werden, keine Plätze mehr in Teams ergattern können, da Teams nur wenige Gehälter auf Spieler aufwenden werden wollen, die ihnen in naher Zukunft nicht mit guten Leistungen weiterhelfen werden. Gleichzeitig wird durch diesen nachvollziehbaren Schritt vonseiten der Teams eine weitere Hürde errichtet, die Nachwuchstalente in ihrer Entwicklung weiter ausbremst, da Training in koordinierten, möglichst starken Teams effizienter ist und die dafür sorgt, dass sie erst mit größerer Verspätung in das Rampenlicht der großen eSport-Titel treten werden können.

Weitere negative Auswirkungen auf den eSport in China können Folgen haben, die die Fankultur beeinflussen: Falls Online-Gaming weiterhin in einem solch extremen Maße eingeschränkt wird, ist fraglich, ob das Interesse der Fans, die in China in großer Zahl den eSport unterstützen, einbricht. Wie bei traditionellen Sportarten und deren Fankulturen ist es für die Beobachter häufig dadurch interessanter, die Spiele zu verfolgen, wenn auch selbst der Sport regelmäßig ausgeübt wird. Fällt diese Dimension weg, könnte die Unterstützung durch die Fans auch schwinden. Betroffen von diesen Folgen könnten weiterhin auch die zahlreichen chinesischen Streamer sein, die mit Online-Gaming ihre Zuschauer unterhalten.

Eine reduzierte Anzahl an Fans und eine Verurteilung der gesamten Online-Gaming-Sphäre durch den Staat werden wahrscheinlich auch einen Einbruch chinesischer Investments in die eSport-Ligen und die eSport-Organisationen nach sich ziehen.

Was bedeuten diese Auswirkungen für die globale eSport-Szene?

Die Auswirkungen auf den globalen eSport können sehr verschieden ausfallen. Zum einen könnte der Import von mehr ausländischen Profis in die chinesischen Profiligen folgen. Schon in der Vergangenheit haben chinesische Teams, beispielsweise wiederum in League of Legends, mit Spielern aus anderen asiatischen Ländern große Erfolge feiern können. Beide Teams, die den League of Legends World Championship für China gewinnen konnten, hatten beispielsweise Koreaner als Starspieler in ihren Kadern. Zwei Problematiken ergeben sich jedoch: Große Zahlen von importierten ausländischen Spielen können sich negativ auf das Fan-Engagement auswirken, das, wie bereits beschrieben wurde, ohnehin gefährdet ist und zweitens könnten durch das Wegfallen von Investments die finanziellen Anreize fehlen, durch die Chinas eSport-Organisationen in der Vergangenheit ausländische Stars bewegen konnten, den Schritt nach China zu wagen.

Die Beschlüsse der Regierung könnten jedoch auch dazu führen, dass ausländische Investoren zukünftig weniger Maßnahmen ergreifen, um auf dem chinesischen Markt Gewinne zu erzielen. Kürzlich gab NIP, eine europäische Organisation, die schon seit langer Zeit vor allem in Counter-Strike große Erfolge feiern konnte, bekannt, dass man nun in Partnerschaft mit chinesisch-stämmigen Investoren ein Team in der LPL stellen würde, was den ersten Vorstoß einer westlichen Organisation in eine der chinesischen eSport-Ligen bedeutete. Solche Pläne könnten durch die Agenda der chinesischen Regierung zukünftig allerdings wegfallen.

Auch ist anzunehmen, dass generell Investitionen in den eSport auch außerhalb von China absinken werden, wenn der Markt, der die meisten Fans beisteuerte, deutlich geschwächt wird. Vor allem Sponsorengelder für Turnier-Organisatoren könnten darunter leiden, dass Unternehmen, die Werbung beispielsweise in den Livestreams der Events platzieren wollten, diese somit nun an eine reduzierte Zuschauerzahl herantragen würden.

Abhängig sind die Effekte der Maßnahmen der chinesischen Regierung vor allem davon, ob die Regeln, die aufgestellt wurden, auch tatsächlich weiterhin konsequent angewendet werden, ob sie weiter verschärft werden oder ob die Regelungen entweder wieder abgeschafft oder abgeschwächt werden. Nachdem zuvor bereits jedoch dargelegt wurde, wieso dieser neue Schritt der chinesischen Regierung kein spontaner Beschluss zu sein scheint und stattdessen in Folge mehrerer Bekanntgaben, Beschlüsse und Äußerungen von Seiten der Regierung steht, die alle eine Agenda stützen, scheinen die letzten Möglichkeiten in naher Zukunft unwahrscheinlich.

Auch das Feld, in dem die Regeln angewendet werden, beeinflusst die Spekulationen, die in diesem Artikel getätigt wurden. Im Feld des professionellen Online-Gaming, dem eSport, wurde nun zunächst also eine konsequente Anwendung durchgeführt, als zahlreiche Teams minderjährige Profis aus ihren Teams entfernten. Es bleibt nun abzuwarten, ob dieser Schritt, wie das Einlenken von Tencent bei der Überprüfung der Spieleridentitäten, mit Wohlwollen und Milderungen der Maßnahmen von Seiten der Regierung belohnt wird.

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