Man kennt es aus den Medien: eSport und traditioneller Sport werden in der Öffentlichkeit gerne gegenübergestellt. Es gibt ganze Arbeitsgruppen, die nur dafür da sind, Unterschiede herauszufiltern oder die Wertigkeit von eSport infrage zu stellen. Dabei gibt es ein Merkmal, das sich in beiden Sportarten wiederfinden lässt: die Fans. Ja, eSport hat sie ebenso wie der traditionelle Sport. Fankulturen müssen nicht aus Jahrzehnte langer Bindung entstehen. eSport Fankultur ist bereits etabliert und mit vielen positiven Facetten versehen. Ein IMHO von Nicole Lange.
eSport hat in wenigen Jahren gezeigt, dass sich eine ebenso vielschichtige wie leidenschaftliche Fanszene bilden kann. Als ich vor acht Jahren bei kicker eSport angefangen habe, war mir das nur teilweise bewusst. Die Jahre zuvor hatte ich eher über die Geschehnisse in der Games-Branche allgemein berichtet.
Doch mit meiner Tätigkeit für kicker eSport konnte ich auch mehr Events besuchen und ich bin froh darüber, dass ich diese tollen Veranstaltungen noch vor der Pandemie miterleben konnte. Aus journalistischer Sicht machte es immer großen Spaß von diesen Events zu berichten, denn eines hatten alle gemein: den Spaß an der Freude. Wenn wir als Kamerateam oder Journalisten irgendwo mit den Besuchern sprachen, schwappte die gute Laune direkt auf einen über. Die Leute wussten, dass es wichtig ist, sich zu zeigen, darüber zu sprechen und damit uns, der Presse, die Möglichkeit gegeben wurde, die tollen Seiten solcher Events zu zeigen. Das war auch immer ein großer Vertrauensbonus uns gegenüber, denn oftmals wurden die Fans auch als Kellerkinder oder schlimmeres in den Medien dargestellt.
Ich habe coole Leute über die Jahre kennengelernt, die einfach eine Menge Spaß daran hatten sich die Turniere anzusehen und die Show zu erleben. Denn eines ist auch ganz klar: eSport-Events sind mittlerweile audiovisuelle Erfahrungen geworden. Der Sport auf der Bühne bildet das Fundament für ein abwechslungsreiches Erlebnis um den Wettbewerb herum. Showacts, Cosplayer, Autogrammstunden, Stände mit der Möglichkeit seine eigenen Plakate zu bemalen, Interview-Sessions usw. – das alles liefert ein eSport-Event seinen Fans und die wissen das auch zu schätzen.
Die erste Blizzcon
Ich kann mich noch an meine erste BlizzCon 2016 erinnern. Ich betrat das Anaheim Convention Center und war wie in einer anderen Welt: 27.000 Fans waren vor Ort als der Entwickler seine zehnte BlizzCon feierte und du hast sofort dieses Zusammengehörigkeitsgefühl gespürt. Ich habe das damals in unserem Beitrag so beschrieben:
Du kommst da hin und es ist so, als würde man nach langer Zeit einen alten Freund treffen. Die Leute saßen in gemütlicher Runde und tauschten sich über Hearthstone aus. Eine Halle weiter wurde bei Overwatch angefeuert. Das war einfach eine schöne Atmosphäre und die Besucher und Besucherinnen waren alle super nett und hatten Spaß daran, sich über ihr Hobby auszutauschen und den eSport anzusehen. Als ich mit den Fans gesprochen habe, meinten viele, sie kommen wegen der Mischung an unterschiedlichen Programmen und obwohl die BlizzCon damals eher als Fan-Messe galt, hatten die eSport-Wettbewerbe schon einen großen Einfluss, der auch immer stärker ins Programm aufgenommen wurde.
Anders war es bei den Rainbow Six Siege Majors 2019 in Raleigh, Noth Carolina. Das ist mir deshalb so in Erinnerung geblieben, weil der Austragungsort sehr speziell war. Keine große Metropole, wie man es sonst kannte. Aber auch da kamen die Fans und waren total begeistert, dass Ubisoft diese Austragungsstätte gewählt hat. Oftmals wurde auch hier der Beweggrund genannt, sich mit Fans austauschen zu können und das Gemeinschaftsgefühl für den eSport zu stärken. Ähnlich gehen Fangruppen aus anderen Sportarten zu den Events. Selbst wenn das Spiel auf dem Platz noch so grottig ist, mit Gleichgesinnten macht selbst das Spaß. Übers Spiel reden, sich mitreißen lassen und einfach eine gute Zeit haben, das zeigt sich in jeder Fankultur, so auch im eSport. Doch der traditionelle Sport kann von seinem virtuellen Bruder auch noch einiges lernen.
Was der traditionelle Sport von seinem virtuellen Bruder lernen kann
Was mir innerhalb der eSport Fankultur immer wieder positiv ins Auge stach, war der Umgang mit den Fans untereinander, aber auch mit den Teams. Es gab mal eine Zeit lang die Diskussion, ob Nationalmannschaften im eSport eine gute Idee sind. Wenn man als Fußballfan z.B. das Thema beleuchtet denkt man sich: „Klar, warum nicht?“, das kennt man ja, aber fragt man eSport-Fans finden diese das oftmals total unnötig. Patriotismus spielt im eSport eher eine untergeordnete Rolle und macht sich nur bedingt bemerkbar. Bei den Overwatch-Finals in New York konnte man unter den Fans zwar eine größere Sympathie für das Team aus den USA (Philadelphia Fusion) feststellen, aber als das Publikum merkte, dass London Spitfire einfach in allen Belangen besser war, honorierten das die Fans. Es wurde nicht gebuht oder die Spieler beschimpft. Generell ist der eSport deutlich friedlicher, was das Fanverhalten angeht. Jeder hat Lieblingsspieler, aber der Fokus liegt auf dem Team und das wird angefeuert, jedoch wenn es schlechter ist, dann wird das akzeptiert, dennoch hat man Spaß an dem Event als solches. Selbst, wenn das eigene Team gerade mal nicht performt hat.
Interessant zu sehen waren auch einige Beispiele, wo sich die Fans gegenseitig reguliert haben. Bei PES gab es mal ein, zwei Events, bei denen die Spieler samt Entourage die Gegner beschimpften und teilweise handgreiflich wurden. Das wurde aber im Keim erstickt, denn das will man in der Szene gar nicht erst durchwinken. Es gab auch einige Turniere in League of Legends oder Call of Duty, wo Fans das gegnerische Team auspfiffen, aber dann auch das Unverständnis aus den eigenen Reihen zu spüren bekamen.
eSport Fankultur: „Das Gefühl eine gute Zeit zu haben“
Sport ist ohne Fans de facto nicht vorstellbar. Als die Corona-Pandemie den Spielbetrieb im Sport lahmlegte, merkte vor allem der Fußball, wie wichtig die Emotionen von den Rängen sind. Auch im eSport fehlten die Fans auf großen Events, aber man konnte es durch Streams und andere Online-Veranstaltungen einfacher kompensieren. Für eSport-Fans gehört der Konsum über Twitch und Co. dazu. Das Gefühl, wir sind hier, weil wir den eSport mögen und eine gute Zeit haben wollen, transportieren die Fans bei jedem Event mit und das fasziniert mich am eSport. Es geht um das Erlebnis und den Spaß daran, sein Team zu unterstützen, nicht verbittert zu sein, sondern einfach dabei und das macht die eSport-Fankultur aus meiner Sicht sehr wertvoll.